Die Kosten für Hochschulbildung der Gesellschaft aufzubürden, nutzt der Mittelschicht und schadet den Armen. Das meint John Witulski, ehemaliger Vorsitzender der LHG Nordrhein-Westfalens. Daher müssten Studiengebühren wieder eingeführt werden. 

John Witulski

John Witulski will Studiengebühren zurück (Foto: privat).

Bildung ist die Grundlage von Freiheit in Verantwortung. Nur wer alle Informationen hat und im Stande ist, selbst zu denken, kann sein Leben in die Hand nehmen. Nicht nur um den eigenen Lebensunterhalt zu erwirtschaften, sondern auch für ein selbstbestimmtes Leben in Würde, ist Bildung eine Notwendigkeit. Dies gilt für die Grundfähigkeiten, wie für abstrakte akademische Bildung an einer Hochschule. Bildung lohnt sich immer. Sie kostet mindestens Zeit, die man ins Lernen steckt, doch diese hat man nicht umsonst investiert.

Wenn man unsere Welt betrachtet, oder auch nur Freunde und Bekannte in unserem Alltag, so zeigt sich: Bildung ist der Weg aus der Armut. Je höher der Bildungsgrad eines Menschen, desto wahrscheinlicher ist ein hoher Lebensstandard. Dies gilt für den Einzelnen und für ganze Länder. Der freie Zugang zu Bildung hat den Wohlstand Deutschlands erhöht. Er ist ein zivilisatorische Errungenschaft und nicht ohne Grund ein soziales Menschenrecht (Allg. Erklärung der Menschenrechte Artikel 26).

Studienbeiträge: Verletzung der Menschenwürde?

Nun wird es vielleicht überraschen, dass ich mich dennoch für Studienbeiträge ausspreche. Denn diese stehen zu den obigen Behauptungen und Forderungen nicht im Widerspruch. Bei diesen Beiträgen handelt es sich um eine Summe, die ein Student alle 6 Monate zahlen muss, um an einem Studiengang teilzunehmen und in diesem Prüfungen abzulegen. Im „NRW-Model“ wurden solche Beiträge mit Bafög-Höchstgrenzen (eine Maximalverschuldung) verrechnet und konnten auf Wunsch mit einem garantierten Kredit gegenfinanziert werden. Ein Ausschluss von Sozialschwachen oder ein Studium der Reichen war nach diesem Modell unmöglich. Nach der Abschaffung dieser Beiträge stellte die Landesregierung den Hochschulen Ausgleichsmittel zur Verfügung. Doch es war bei der Verschuldung des Landes NRW absehbar, dass diese Mittel nicht bei steigenden Studentenzahlen erhöht würden. Nun existiert eine immer größer werdende Finanzierungslücke. Die Lösung kann hier nicht mehr Schulden, sondern nur die Wiedereinführung der Beiträge sein.

Von Gegnern der Studienbeiträge hörte man zu Zeiten des Bildungsstreiks vor gut fünf Jahren immer wieder den Schlachtruf: „Bildung ist keine Ware“ und die Forderung: Bildung solle umsonst sein. Doch kann Bildung kostenfrei sein? Entstehen nicht Kosten durch die Beschäftigung von Lehrpersonal? Und wenn deren Dienstleistung am Lernenden keine Ware sein darf, wie ist es mit Materialien wie Büchern oder technischen Geräten? Was ist Gebäuden und deren Unterhaltskosten?

Die Frage, ob Bildung kostenlos sein kann, muss man klar mit Nein beantworten. Sie war es auch noch nie. Die ganze Frage ist verlogen. Sie suggeriert, dass es keine Kosten gibt. Die ehrlichere Frage wäre also: Wer bezahlt die Bildung?

Hier muss man erst einmal allgemeiner Denken: Viele Dinge im Leben kosten Geld. Darunter auch Essentielles: Selbst Notwendigkeiten des Lebens wie Nahrung, Kleidung oder eine Wohnung sind nicht kostenlos. Die Frage ist nicht, ob man für eine Lebensnotwendigkeit bezahlen muss, sondern wer dafür bezahlen muss und ob der Zugang durch Geld wirklich beschränkt ist. Dies ist ebenfalls mit Nein zu beantworten. Meine Menschenwürde ist nicht verletzt, wenn ich im Supermarkt für meinen Einkauf etwas bezahlen muss, Kleidung kaufe oder meine Miete zahle. Es kann auch nicht unwürdig sein für Bildung etwas zu bezahlen zu müssen. Warum gerade hier die Ausnahme machen?

Die große Umverteilung

Man muss fragen: Woher kommt das Geld für Bildung? Wer ist dieser Staat, der die Bildung kostenfrei bereit stellt? Es sind normale Menschen die Steuern zahlen. Es ist die Verkäufer an der Supermarktkasse, der Facharbeiter im Betrieb oder die Putzfrau im Büro. Viele Menschen, die niemals die Leistung einer Universität in Anspruch genommen haben. Wer sind aber die Menschen die in den Genuss eines Studiums kommen? Es sind in der Regel nicht die armen Aufsteiger, die aus dem Nichts kommen, sondern Kinder der Mittelschicht. Die meisten von Ihnen werden selbst später zur Mittelschicht gehören, wenn nicht sogar zur oberen Mittelschicht.

Von der Finanzierung der Bildung von der Grundschule bis zum Schulabschluss profitieren alle Mitglieder der Gesellschaft direkt. Bei einem Studium ist dies anders. Auch wenn ein kritischer Leser hier erwidern mag, dass an jedem arbeitenden Akademiker viele anderen Jobs hängen und ein jeder von mehr Ärzten und Ingenieuren profitiert, so ist dennoch der Gewinn für den Akademiker selbst am größten. Es gibt eine Umverteilung von der gesamten Gesellschaft zur Mittelschicht und oberen Mittelschicht. Dies ist ungerecht. Studienbeiträge korrigieren diese soziale Ungerechtigkeit teilweise.

Danke fürs Studieren, hier sind deine Schulden.

Viele argumentieren, Studienbeiträge würden junge Menschen abschrecken ein Studium aufzunehmen. Junge Menschen hätten Angst nach dem Studium vor einem Schuldenberg zu stehen, der nicht abzutragen ist. Doch diese Angst ist unbegründet. Oft sind die Verdienstmöglichkeiten nach dem Studium nicht schlecht und wer heutzutage aufgrund seines Studiums hohe Schulden hat, hat diese gemacht um seinen Lebensunterhalt zu decken.

Studienbeiträge von 1.000 Euro oder 2.000 Euro im Jahr würden nach wie vor weit unter den monatlichen Kosten für Miete und Lebensmitteln liegen und wären in den Geisteswissenschaften sicher nicht kostendeckend. In MINT Fächern wäre es sogar nur ein Bruchteil der erzeugten Kosten.

Was nix kostet, ist auch nix.

Seien wir doch einmal ehrlich: Selbst der Ärmste lebt in unserem Land in einem Wohlstand, von dem andere Menschen auf der Welt für immer nur träumen werden. Wir sind jederzeit bereit, unser Geld für teure Elektronik, schicke Kleidung, Autos, Reisen und vieles mehr auszugeben. Und selbst wer für deutsche Verhältnisse fast nichts hat, findet ab und zu etwas Geld dafür. Doch wer ist bereit 50 Euro oder 100 Euro im Monat für die Weiterbildung zu investieren? Für wen hat dies einen „hohen Wert“ wie das neuste Smartphone oder eine Party am Wochenende?

Das Problem ist hier: Wir haben uns im Bildungsbereich gewöhnt, auf Kosten Anderer zu leben. Es ist normal geworden, nichts zu zahlen. Das Geld kam irgendwo her und ob dies gerecht ist, wurde nicht hinterfragt. Nur eins war klar: Selbst zu zahlen, war für den Einzelnen immer das ungerechteste. Von einem Studium wird ein junger Mensch nach der Wiedereinführung von Studienbeiträgen nicht ausgeschlossen, er kann sich nur selbst ausschließen, wenn er es für unmoralisch empfindet auf die eigenen Kosten, statt auf Kosten Anderer zu studieren.


Die hier veröffentlichte Meinung spiegelt nicht unbedingt die Beschlusslage der LHG Nordrhein-Westfalens wider. Die Redaktion stellt den Autoren frei, welche Form der geschlechtergerechten Sprache sie verwenden möchten. (Red.)


Zur Person

John Witulski hat 2010 er seinen Master in Informatik abolviert und forscht seitdem im Bereicht der Verifikation von Software. Studiengebühren hat er selber noch bezahlen müssen. John war unter anderem Vorsitzender der LHG Nordrhein-Westfalen und aktiv in den Vorständen der LHG Düsseldorf und Wuppertal.