Meinung: Verbindungen und der Extremismus – Eine untrennbare Heirat?
Über Verbindungen aufzuklären, gehört zum Alltag von Nikolaus Grefe. Der Vorsitzende der LHG Hessen ist selber Mitglied in einer Verbindung und fordert: Wachsam sein gegenüber Rechtsextremen, aber auch nicht alle Verbindungsstudenten in den gleichen Topf werfen. Kommentar von Nikolaus Grefe
Um das Verhältnis von Studentenverbindungen zum politischen Extremismus zu verstehen, lohnt der Blick in die studentische Geschichte Deutschlands. Studentenverbindungen gibt es schon so lange wie die Universitäten selbst. So haben sich die Studenten nach landsmannschaftlicher Herkunft einerseits und nach ihren Interessen andererseits zusammengetan. Die einen treiben gemeinsam Sport, die anderen üben sich in künstlerischen Aktivitäten.
„Verbindungen sind die Großmutter der politischen Hochschulgruppen“
Theoretisch kann sich jede Gruppe von Studenten, die sich einer Sache verschreibt, gemeinsam darauf hinarbeitet und sich als Verein organisiert, Studentenverbindung nennen. Darüberhinaus gibt es auch schon seit Langem Verbindungen, die politische Ziele verfolgen und politische Bildung als ihre Hauptaufgabe sehen; im Grunde die Großmutter der heutigen politischen Hochschulgruppen.
Diese Verbindungsform gibt es auch heute noch und nennt sich meist Burschenschaft. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegründet, haben sie auf den Wartburgfesten (1818/1819) die Demokratisierung und Einigung Deutschlands aus dem damaligen losen Staatenbund gefordert. Sie traten mit den Farben schwarz-rot-gold, den Farben der späteren Nationalflagge Deutschlands, auf. Ihre Ziele kamen aus der Mitte der Gesellschaft, des Bürgertums, und richteten sich gegen den Adel und die politische Klasse. Nach heutigen Kriterien waren die ursprünglichen Burschenschaften progressistisch und freiheitlich.
Als Zwischenfazit halten wir somit fest, dass sich politisches Engagement innerhalb von Studentenverbindungen vor allem auf die Burschenschaften beschränkt hat. Doch wie konnte es soweit kommen, dass eine friedliche Bewegung, zu einer vermeintlich heutzutage „extrem Rechts-Konservativen“ werden konnte?
„Geblieben ist Begeisterung für das politische Engagement und für den Nationalismus von damals“
Die wohl akzeptierteste Theorie besagt, dass mit der Einheit Deutschlands, nach dem Mauerfall 1989, das einstige politische Ziel der Burschenschaften endgültig erreicht war. Einzig verblieben ist die Begeisterung für das politische Engagement und für den Nationalismus von damals. Aus Letzterem leiten viele Burschenschaften heute einen Auftrag zur Wahrung der deutschen Kultur und der Selbstständigkeit Deutschlands ab. Diese hat sich dann ferner in ein Konfliktverhältnis gegenüber Migration und der Europäischen Union übersetzt.
Doch nicht in jeder Burschenschaft ist diese Geisteshaltung vertreten. Die politisch Gemäßigten unter ihnen lösten sich aus dem Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) heraus und gründeten 1996 die „Neue Deutsche Burschenschaft“ (NDB) als liberalere Alternative. Dieser Dachverband zählt heute auch viele SPD- und Grünen-Politiker zu seinen Mitgliedern. Hingegen ist es kein Geheimnis, dass die DB als Kaderschmiede der AfD und NPD an den Universitäten einzustufen ist.
Heterogenität studentischer Verbindungen
Ich selber gehöre einer unpolitischen Verbindung an. Da jedoch meist Verbindung mit rechtsextremer Burschenschaft gleichgesetzt wird, gehört die Aufklärung über die Heterogenität der studentischen Vereinigungen zu meinem Alltag. Extreme Burschenschaften, insbesondere der DB, sind hingegen aufs Schärfste zu kritisieren, da sie eine eigentlich schöne Tradition der studentischen Kultur in Deutschland in ein schlechtes Licht rücken. Des Weiteren ist die „Masche“ der AfD, sich als gemäßigte rechte Partei darzustellen, ebenso bei vielen Burschenschaften der DB wiederzufinden.
Als Kenner dieser Szene glaube ich zu wissen, dass sich hinter der liberalen Fassade, der Herren in traditioneller Kleidung, eine viel extremere Haltung verbirgt. Infolge dessen kann ich die Resolution des Studierendenparlaments der RWTH Aachen nur befürworten. Die sachliche Konfrontation mit rechtsextremen Strömungen in unserer Gesellschaft ist selbst in ihrer gemäßigten Form nicht zu vernachlässigen, ob in Politik oder Hochschulpolitik.
// Edit-Note: Im Teaser hatte die Redaktion das Wort „Verbinder“ verwendet. Dies wurde in die korrekte Formulierung „Verbindungsstudent“ geändert. (Red.)
Die hier veröffentlichte Meinung spiegelt nicht unbedingt die Beschlusslage der LHG Nordrhein-Westfalens wider. Die Redaktion stellt den Autoren frei, welche Form der geschlechtergerechten Sprache sie verwenden möchten. (Red.)
Zur Person
Nikolaus Grefe studiert Mathematik an der Philipps-Universität Marburg. Er ist Mitglied einer unpolitischen, nicht-nationalistischen und konfessionell ungebunden studentischen Vereinigung, die sich dem Toleranzprinzip verpflichtet sieht. Nikolaus ist Vorsitzender der LHG Hessen.
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