Schluss mit den Plagiatsaffären – Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens durchsetzen
Mit brennender Sorge und wachsendem Befremden verfolgen die Liberalen
Hochschulgruppen Nordrhein-Westfalen die Auseinandersetzungen an der FU Berlin
um die Einhaltung wissenschaftlicher Mindeststandards bei Dissertationen. Obwohl
die Promotion einer Bundesministerin unstreitig Plagiate enthält, hat die
Universität vom Entzug des Doktorgrades abgesehen. Dem Plagiatsverfahren wird
seinerseits formale Rechtswidrigkeit vorgeworfen, die Aussprache einer Rüge als
nicht vorgesehenes Sanktionsmittel ist offensichtlich rechtwidrig. Unabhängig
davon, ob sich der im Raum stehende Vorwurf politischer Rücksichtnahme
bewahrheitet, ist der Schaden für den Wissenschaftsstandort Deutschland bereits
eingetreten. Schon der böse Schein sachwidriger Motivation muss im Interesse der
Reputation der Wissenschaft und zum Schutz aller ehrlichen Promovenden vermieden
werden. Klar ist: Sollte die FH Berlin den Doktorgrad nicht entziehen, wäre das
eine wissenschaftliche Bankrotterklärung und ein gefährlicher Präzedenzfall für
ganz Deutschland.
Über den Einzelfall hinaus zeigt die Causa G. jedoch weiter bestehende Defizite
im Umgang mit wissenschaftlichen Standards bei Dissertationen. Die Hoffnung, die
Plagiatsaffären früherer Bundesminister hätten zu einem Sinneswandel an den
Hochschulen geführt, hat sich nicht bestätigt. Der inzwischen technisch mühelose
Einsatz von Plagiatserkennungsoftware bei allen wissenschaftlichen Arbeiten –
beginnend bei Hausarbeiten – harrt weiterhin des flächendeckenden Einsatzes. Bis
heute ist es üblich, dass Arbeiten lediglich stichpunktartig und manuell auf
Plagiate, Blindzitate und weitere Verletzungen wissenschaftlicher Standards
kontrolliert werden. Statt Nulltoleranzkultur wird teils versucht, eine
Bagatellisierung von Plagiaten vorzunehmen, indem die Kategorie von „bloßen“
Plagiaten, die den Wert einer Arbeit nicht wesentlich in Frage stellten, bemüht
wird. Solche Relativierungsversuche sind geeignet und dazu bestimmt, die
Qualitätsanforderungen an wissenschaftliche Arbeiten nachhaltig abzusenken. Sie
sind auch unvereinbar mit den Standards, die das ganze Studium über an
Täuschungsversuche angelegt werden.
Daher fordern die Liberalen Hochschulgruppen Nordrhein-Westfalens:
- Eine Klarstellung in den Leitlinien aller zur Vergabe des Doktorgrades
berechtigter Hochschulen, dass Plagiate der Vergabe des Doktorgrades
entgegenstehen und ihr nachträgliches Bekanntwerden zwingend zur
Aberkennung führt. - Der Doktorgrad darf nicht mit der Begründung erhalten werden, dass ohne
Berücksichtigung der Plagiate der Rest der Arbeit noch verwertbar sei;
eine auf Plagiaten beruhende Arbeit ist unter gröbster Verletzung
wissenschaftlicher Standards zu Stande gekommen und in Gänze unbrauchbar. - Wird der Doktorgrad wegen Verstoßen gegen die wissenschaftlichen Standards
entzogen, darf dieselbe Hochschule und darf keiner der beteiligten Prüfer
an einer erneuten Dissertation des Betroffenen mitwirken. - Wer eine Dissertation betreut oder als Korrektor mitwirkt, muss zwingend
Plagiatssoftware benutzen. Darüber hinaus muss versichert werden, dass
keine Umstände bekannt sind, die einer Annahme der Dissertation
entgegenstehen. - Betreuer oder Korrektoren, die an Dissertationen mitgewirkt haben, die
Plagiate enthalten, werden von der Mitwirkung an künftigen Dissertationen
ausgeschlossen, wenn sie nicht Plagiatssoftware benutzt haben und die
Plagiate nach dem jeweiligen Stand der Technik aufzudecken gewesen wären
oder wenn ihnen sonst Umstände bekannt waren, die einer Annahme der
Dissertation entgegengestanden hätten. Hinsichtlich der Dauer des
Ausschlusses steht den Hochschulen ein Gestaltungsspielraum zu; bei
wiederholten Verstößen ist ein dauerhafter Ausschluss anzuordnen. Für
Altfälle gilt dies nicht, sofern die Hochschule nicht schon bisher die
unter 4. beschriebenen Anforderungen verlangt hat. - Die Hochschulen sehen ein Prozedere für die Aberkennung von Doktorgraden
vor, dass eine sorgfältige und unabhängige Prüfung der Vorwürfe
ermöglicht. Betreuer und Korrektoren dürfen an der Entscheidungsfindung
nicht beteiligt sein. Ist der Betroffene selbst Angehöriger des
Hochschullehrerkollegiums der Hochschule oder an dieser oder einem ihrer
Lehrstühle beschäftigt, darf eine zugunsten des Betroffenen ergehende
Entscheidung nicht ohne Einholung eines externen Gutachtens geschehen. Die
Verfahrensordnung soll die Möglichkeit vorsehen, vorläufig die Führung des
Doktorgrades zu untersagen. - Die Hochschule, die einen Doktorgrad entzieht, trifft zugleich
Feststellungen, ob Betreuer oder Korrektoren ihre Pflicht verletzt haben.
Erkennt die Hochschule eine Pflichtverletzung, dürfen die Betroffenen an
Dissertationen an dieser Hochschule nicht mehr mitwirken. Die Hochschule,
an der die Betroffenen beschäftigt sind, hat von Amts wegen ein Verfahren
zum Ausschluss der Betroffenen von Dissertationen einzuleiten, sofern ein
Doktorgrad in einem sie betreffenden Dissertationsverfahren entzogen
wurde. Eine zugunsten des Betroffenen ergehende Entscheidung nicht ohne
Einholung eines externen Gutachtens geschehen. Die Entscheidung der
Hochschule, an der die Betroffenen beschäftigt sind, wirkt für
Dissertationen an allen Hochschulen mit Ausnahme derjenigen, an welcher
der Promovend promoviert hat. Mit Einleitung eines Verfahrens von Amts
wegen ruht die Fähigkeit, an Dissertationen mitzuwirken. - Darf eine Person durch Entscheidung der Hochschule, an der sie beschäftigt
ist, nicht mehr an Dissertationen mitwirken, so sind alle Dissertationen
der letzten 10 Jahre, an denen diese Person mitgewirkt hat, von Amts wegen
durch die jeweils betroffenen Hochschulen zu untersuchen. Finden sich in
dieser Voruntersuchung Anhaltspunkte für ein Plagiat, ist das unter 7.
beschriebene Verfahren einzuleiten. - Die Vergabe anderer akademischer Grade und Abschlüsse ist in
entsprechender Weise zu regeln, ebenso die Aberkennung.